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Was gegen Weihnachtsstress

Alice Dehner,

Es ist eine durch etliche Untersuchungen erwiesene Wahrheit: Der Stress, unter dem wir am meisten leiden, ist der, den wir uns selbst machen.

Selbst an Weihnachten! Man mag es kaum glauben, aber nichtsdestoweniger ist der Satz richtig. Wenn er falsch wäre, gäbe es gar niemanden, der die sogenannte Stress-Resilienz besitzt – selbst an Weihnachten. Was Sie für Ihre Stress-Resilienz tun können, davon weiß die gute, alte TA ein Wörtchen zu reden. Deshalb erinnern wir im Folgenden nochmal an die Antreiber.

Antreiber

Der erste Schritt, um mehr Stress-Resilienz zu gewinnen, besteht darin, herauszufinden, was genau Ihren inneren Druck erhöht. Nein, es geht nicht darum, herauszufinden, welche äußeren Belastungen Sie am meisten stressen: Geschenke besorgen, Plätzchen backen, Christbaum schmücken, sich gegen Schwiegermamas Besuch wappnen. Diese Faktoren sind ja meist schnell identifiziert. Es ist viel wichtiger, bei sich selbst zu erkennen, welche inneren Mechanismen angesprungen sind, sodass Sie sich anschließend gestresst und unter Druck fühlen. Die Transaktionsanalyse hat solche Mechanismen sehr genau und lebensnah beschrieben – vielleicht erkennen Sie ja das eine oder andere davon wieder.

Die sogenannten Antreiber aus der Transaktionsanalyse sind Handlungsanweisungen, die (hauptsächlich) die Eltern ihren Kindern mit auf den Weg gegeben haben, entweder, weil sie selbst schon solche inneren Antreiber besitzen, oder um damit ganz bestimmten Schwierigkeiten, die ihnen die Kinder machen, zu begegnen. Eric Berne, der Begründer der Transaktionsanalyse, hat fünf Antreiber formuliert:

  • Sei perfekt
  • Mach es anderen recht / Sei gefällig
  • Streng dich an
  • Sei stark
  • Beeil dich

Bei den Antreibern gibt unterschiedliche Grade an Intensität, manche wirken sich kaum, andere verheerend aus. Antreiber, entweder einzeln oder als Kombination mehrerer Antreiber, sind die eigentliche Ursache für den inneren Stress, denn sie setzen den Menschen unter Druck, der als Folge davon gereizt, unwirsch oder unfreundlich reagiert (Weihnachten ist im Eimer!), oder Fehler macht, was zu neuen Schwierigkeiten führt (Wo kriege ich auf die Schnelle eine neue Weihnachtsgans her?). Je mehr Antreiber zusammenwirken, desto höher wird auch der Stress. Die unterschiedlichen Antreiber können durchaus auch in Konflikt miteinander geraten und die innere Spannung dadurch noch weiter erhöhen.

Dass Antreiber irgendwann verinnerlicht wurden, bedeutet nicht, dass sie auch immerzu aktiv sind. Um einen Antreiber zu aktivieren, braucht es bestimmte auslösende Situationen: Der Christbaum ist schief! Die Plätzchen sind verbrannt! Die Schwiegermutter nervt! Die Kinder sowieso…. Sind die Antreiber stark, genügt ein geringer Reiz; sind die Antreiber schwach, müssen es schon besondere Bedingungen sein, damit sie zum Einsatz kommen, also Weihnachten zum Beispiel. Oh je, du fröhliche! Eine Krisensituation wie Weihnachten bietet hervorragende Voraussetzungen, um innere Antreiber zu aktivieren.

Sei perfekt

Der Antreiber „Sei perfekt“ ist derjenige, der in unserem Kulturkreis am häufigsten vorkommt. Er wird einem Kind von Eltern vermittelt, die immer mehr von ihm erwarten: „Gut“ ist nicht gut genug, es muss „sehr gut“ sein. Wenn Eltern nur mit herausragenden Leistungen zufrieden sind, akzeptieren sie für gewöhnlich auch nicht, dass man einmal einen Fehler machen darf. Der Druck, diese hundert Prozent zu erreichen, wird so groß, dass der „Perfektionismus“, der dabei herauskommt, meist das Gegenteil einer guten Arbeit bewirkt. Wer perfektionistisch ist, hat keine innere Erlaubnis, Fehler zu machen, betreibt deshalb einen immensen Aufwand, um Fehler zu vermeiden, verbraucht damit ungeheuer viel Zeit und Energie- und erzielt Ergebnisse, die in keinerlei Verhältnis zum Aufwand stehen. Also: Es reicht, wenn die Plätzchen gut schmecken, sie müssen nicht auch noch aussehen, wie von führenden Designern handgeschnitzt.

Mach’s anderen Recht/ Sei gefällig

Das Kind, das sich im Hintergrund zu halten hatte, das gelernt hat, dass es nicht zählt, dass die Bedürfnisse aller anderen vorgehen, hat dabei auch gelernt, dass ihm doch ein Weg offenstand, die Wertschätzung der Eltern zu erringen. Wenn es besonders brav war, besonders hilfsbereit, die Erwartungen an sein Verhalten mindestens erfüllt, wenn nicht gar übertroffen hatte, dann wurde es gelobt und erst dann wurden vielleicht auch seine eigenen Wünsche mal berücksichtigt. Wer sich verbiegt, sich das Äußerste abverlangt, damit am Ende sogar die mäkelige Tante Ottilie zufrieden ist, zeigt einen Aufopferungswillen, der leider gänzlich überdimensioniert ist! Die Anpassung ist so stark ausgeprägt, dass „Nein“ sagen, fast unmöglich scheint. Also üben, üben, üben – genug ist genug. Das weiß sogar Tante Ottilie!

Streng dich an

So wie der Antreiber „Sei perfekt“ keineswegs Perfektion zeitigt, bringt auch der Antreiber „Streng dich an“ mitnichten ein gutes Ergebnis hervor. Darum geht es bei diesem Antreiber auch gar nicht: Wichtig ist die Anstrengung, nicht, was dabei herauskommt – Hauptsache, man hat sich abgestrampelt! Wollen Sie das? Selbstverständlich nicht! Schauen Sie bei sich mal genau hin: Wer unter dem Antreiber „Streng dich an“ leidet, für den ist alles hart, beinhart, der arbeitet sich zuschanden, der macht noch und noch mehr, opfert seine Nächte und seine Wochenenden – ohne zu merken, dass er mit der Hälfte des Aufwandes vermutlich genauso weit käme. Ganz davon abgesehen, dass die Kinder und die liebe Verwandtschaft mit viel weniger zufrieden sind, als der Mensch sich einbildet.

Sei stark

Hartnäckig sein, dranbleiben, sich nicht entmutigen lassen sind Verhaltensweisen, die nichts mit dem Antreiber „Sei stark“ zu tun haben…müssen. Der Antreiber „Sei stark“ ist hauptsächlich bei Menschen zu finden, die glauben, alles allein bewältigen zu müssen, die es als Niederlage empfinden, jemanden um Hilfe zu bitten, die es beschämend finden, eine Schwäche zu zeigen. Selbst wenn sie schon schier zusammenbrechen, lassen sie sich noch eine Last aufbürden: „Schatz, kannst du noch schnell den Christbaum aufstellen und schmücken, bevor du die Weihnachtsgans brätst, und den Champagner muss man auch noch besorgen!“ Sind Sie gut trainiert darin, alles auszuhalten, manchmal, bis ihr Körper nicht mehr mitmacht? Lernen Sie delegieren, ist gar nicht so schwer. Und freuen Sie sich an dem Gedanken, wie stolz Ihre Nächsten und Liebsten sind, wenn sie auch zum Gelingen des Festes beitragen dürfen.

Beeil dich

Der Antreiber „Beeil dich“ ist der innere Zwang des Hektikers. Vermittelt wird der Antreiber meist in der Kindheit von Eltern, die permanent Zeitdruck machen. Alles muss schnell, schnell gehen, jedes „Trödeln“ wird bestraft. Im Erwachsenenalter springt der Antreiber deshalb immer an, sobald eine Situation auch nur annähernd nach Zeitdruck aussieht. Man wird gereizt und hektisch. Da Weihnachten immer so plötzlich kommt, ist es natürlich extrem schwierig, diesem Druck zu entkommen. Ist aber hilfreich, denn Sie wollen doch nicht, dass die ganze Familie der Hektik anheimfällt – Hektik ist nämlich ansteckend. Erstaunlich, aber wahr. Was tun?

Also, was gegen innere Antreiber überhaupt nicht hilft, sind gute Ratschläge, dass ich es trotzdem probiert habe, bitte ich zu vergeben! Bin halt nicht perfekt…

Doch die eigenen Antreiber zu kennen, kann schon ein sehr gutes Mittel sein, ihnen gegenzusteuern. Ich wünsche Ihnen ein entspanntes, fröhliches Weihnachten!

Alice Dehner